Memorabilien in Wachs

++ Annäherung an die Bildsprache Corinna Altenhofs von Dr. Marion Passarge ++

Da ist zunächst einmal und wesentlich das Wachs. Ein Material, mit dem sich beständige Aussagen treffen lassen und das trotzdem nachgiebig bleibt bis zur Verwundbarkeit.

Was wie eine versiegelte Fläche aussieht, behält auch nach Abschluß der Arbeit weiterhin seine Verletzlichkeit, weshalb beim Umgang mit den Bildern Vorsicht und Behutsamkeit geboten sind. Doch was wiegen die Tücken des Werkstoffs im Vergleich mit dessen Vorzügen, seiner eleganten, unaufgeregten Schönheit, seiner wohltuenden Sinnlichkeit, die Auge und Hand gleichermaßen schmeichelt, und – was für den Schaffensprozess vielleicht das Wichtigste bedeutet – seiner vorbehaltlosen Bereitschaft zur Einflussnahme. Einer Bereitschaft, die so vollständig ist, daß sie ihrerseits bestimmende Wirkung auf die Bildaussage ausübt.

Am Anfang, noch vor dem sorgfältigen Auftragen der Wachsschichten oder deren Strukturierung, steht zumeist ein einzelner erlebter Augenblick – eine erinnerte Seelenlage, eine eindrucksvolle Situation oder Landschaft –, der aus dem Strom der erfahrenen Zeit herausragt und der deshalb nach Dauerhaftigkeit verlangt. Verliehen wird ihm diese Dauerhaftigkeit durch seine künstlerische Fixierung, die ihrerseits dank des gewählten Gestaltungsmittels tendenziell eher fragil und skizzenhaft ausfällt, die jedoch gleichzeitig während ihrer Ausgestaltung eine Verlangsamung der Zeitwahrnehmung ermöglicht. Die Verwendung von Wachs bedingt ein bedächtiges, ausdauerndes und wohlüberlegtes Arbeiten, das der Zeit selbst weichere Konturen zu verleihen vermag. So ist es zu verstehen, daß sich der erinnerte Augenblick bereits durch den Prozess seiner Ausgestaltung auszudehnen vermag.

Diese doppelte Konnotation gehört zu den Momenten, die die eigentümliche Anziehungskraft der Bilder ausmachen; einerseits geht es in ihnen darum, der Flüchtigkeit der Erscheinungen etwas Bleibendes entgegenzusetzen, andererseits wird diese Flüchtigkeit gerade durch die Wahl des Materials und die Art seiner Verarbeitung selbstkritisch in das Arbeiten miteinbezogen. Das weiche, empfindliche Wachs fungiert zugleich als Komplize, Beförderer und Saboteur eines schöpferischen Konservierungs- und Entschleunigungsunternehmens, bei dem sich Stetigkeit und Veränderlichkeit gegenseitig durchdringen.

Es stellt nicht Anliegen dieser Bilder dar, Geschichten erzählen oder eindeutige Erklärungen liefern zu wollen, darum trägt keines von ihnen einen Titel. Ausgestaltung eines Augenblicks meint immer zugleich seine intensive Reflektierung, Abstrahierung und Ästhetisierung – eine Trinität, deren analytische und darstellerische Schärfe durch das Wechselspiel mit Wachs sowohl befördert wird als auch an ihre Grenzen gerät. Wachstumsgrenzen, die zur unverkennbaren Handschrift dieser Werke gehören, die ebenfalls wesentlich bestimmt sind durch das Spannungsfeld, das sich zwischen dem Vor- und Darstellbaren und dem unsag-, ungreifbaren Rest auftut. Nicht zuletzt setzen sie sich intensiv mit der Frage auseinander, wie sich das Innenleben authentisch und nachvollziehbar festschreiben läßt, ohne Züge einer exhibitionistischen Selbstentblößung anzunehmen oder den Betrachter durch autistische Verschlossenheit zurückzustoßen.

Den Weg, den sie zur Lösung dieses Problems einschlagen, führt zu einer objektivierenden Darstellungsweise, die sich genauso auf schöpferische und feinsinnige Weise mitzuteilen wie in diskreter Verschwiegenheit zu üben sucht. Was sich mit Hilfe von Pigmentierung, Farbverdichtung, rasierklingenscharfen Ritzungen an eigenen Sinneseindrücken, Erfahrungen und Empfindungen in die empfänglichen Wachsschichten einschreibt, offenbart sich persönlich, ohne jemals das Persönlichste preiszugeben, anschaulich und ansprechend, ohne dabei jemals vordergründig oder prätentiös zu wirken.

Jedes der erschaffenen Bilder lädt auf ganz eigene Art und Weise dazu ein, die dargestellte Seelenlandschaft zu durchmessen, der ihr innewohnenden Stimmung nachzuspüren, sich an ihrer zurückhaltenden, ebenmäßigen Schönheit, ihrer faszinierenden Farbwirkung satt zu sehen und schließlich vermittels der eigenen Bewusstseinsaustattung ihre Lesbarkeit zu erproben.





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